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Stories Innovationskunst

"Wir brauchen eine Innovationskultur auf vielen Ebenen"

Zwischen Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel und KI: Rainer Brehm, CEO der Fabrikautomatisierungsparte bei Siemens und Mitglied des Initiatorenkreises „Innovationskunst“ spricht über die Bedeutung von Innovationen für die Metropolregion Nürnberg.

In der Region hat Erfindertum Tradition. Ich denke dabei an die erste Zugfahrt des Adlers 1835 von Nürnberg nach Fürth. Innovationen werden aber auch gerne kritisch gesehen. Damals gab es auch Bedenken, ob die Passagiere die 30 km/h auch gesundheitlich überstehen werden. Heute lässt die Digitalisierung befürchten, dass der Mensch überflüssig wird. Was erwidern Sie dieser Kritik?

Innovationen sind auf den ersten Blick ungewohnt und es gibt immer Vorbehalte gegen Neues. Das war damals bei der ersten Eisenbahn so und das ist heute bei Themen wie Digitalisierung und künstlicher Intelligenz nicht anders. Der Mensch wird in der Produktion nicht überflüssig werden, aber seine Rolle wird sich ändern. Es gibt Arbeiten, die ein Roboter besser ausführen kann, beispielsweise bei der Qualitätskontrolle oder dem Sortieren von unterschiedlichen Bauteilen beim Recycling. Arbeiten, die zum Beispiel der menschlichen Kreativität oder des Vorstellungsvermögens bedürfen, werden in menschlicher Hand bleiben. Was wir brauchen, ist die Bereitschaft sich auf die Transformation und das Neue einzulassen. Es braucht Mut in den ersten Zug zu steigen und Pionier zu sein. Diesen Pioniergeist brauchen wir in der heutigen Zeit mehr denn je.


Siemens feiert dieses Jahr das 175. Jubiläum. Was ist das Erfolgsrezept und was auch der Preis?

Werner von Siemens war Erfinder. Erfindungen waren und sind die Basis für unseren Erfolg und sie ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Unternehmens - quasi vom Zeigertelegrafen bis zum Digital Twin. Die Geschichte zeigt, dass die Industrie einem ständigen Wandel unterworfen ist und je stärker der Wandel ist, desto wichtiger ist es sich zu transformieren und mit Innovationen voranzugehen. Wir begegnen dem mit kreativen Lösungen, Teams, die wie Start-ups arbeiten und einer neuen Lernkultur, bei der sich Mitarbeitende ständig weiterbilden können.


Kann man Kreativität einkaufen – wie einen Fußballstar für die Mannschaft? Was tun Sie, was tut Siemens um den Erfindergeist im Unternehmen zu fördern? 

Ich habe vor Kurzem einen Vortrag der Autorin Diana Kander gehört. Sie sagt, Kreativität ist ein Muskel, den man trainieren kann. Und mir gefällt dieses Bild sehr gut. Wir haben die Kreativität in die Wiege gelegt bekommen und als Erwachsene müssen wir sie nur wieder hervorholen und trainieren. Dafür haben wir Leute ins Team geholt, die sich mit Kreativität beschäftigen, die erforscht haben, wie Kreativität funktioniert und die jetzt mit den Abteilungen auf eine kreative Reise gehen: was heißt Kreativität für mich, wie kann ich im Team kreativ sein, und welche Methoden eignen sich für die Entwicklung von innovativen Ideen. 


Das heißt die Innovationen von morgen kommen doch nicht von einer KI?

Das völlig auszuschließen, würde dem Pioniergeist widersprechen. Aber im Ernst: KI arbeitet mit Mustern. In der Produktion setzen wir KI beispielsweise in der Qualitätskontrolle ein. Entspricht ein Werkstück einem gewissen Muster, dann ist die Qualität in Ordnung. Innovationen dagegen zeichnen sich oft dadurch aus, dass bekannte Wege verlassen werden und Neues ausgetestet wird. Hier halte ich die menschliche Kreativität immer noch für das bessere Mittel.


Disruptive Veränderungen liegen den meisten Menschen ja nicht per se. Wie bereiten Sie die Belegschaft auf Themen wie Industrie 4.0 vor? Wie nehmen Sie die Menschen mit?

Lange Zeit haben wir in Prozessen gedacht und uns darauf beschränkt, bekannte Produkte weiterzuentwickeln. Starre Prozesse reichen aber nicht aus, um mit disruptiven Veränderungen Schritt zu halten. Wenn sich Henry Ford nur an der Fertigung von Kutschen orientiert hätte, hätte er vermutlich die Fertigungsstraße nicht erfunden. Es braucht eine Vision und die Offenheit vorhandene Denkmuster in Frage zu stellen. Um Menschen mitzunehmen, sind diese Punkte wichtig: Ich muss wissen, warum ich morgens aufstehe. Ich muss fühlen, was der Zweck meiner Arbeit ist. Das gibt Motivation. Und es ist wichtiger denn je sich über die individuellen Ziele und Stärken bewusst zu werden. Bin ich Innovator und Pionier für Neues oder bin ich Experte auf einem bekannten Gebiet. Beides ist wertvoll, beide Stärken brauchen wir.


Nachhaltigkeit Ist ein Top- Thema: Gerade Industriebetriebe stehen im Verdacht, hohe Mengen Energie und Ressourcen zu verbrauchen. Wie nachhaltig kann Industrie sein?

Wir haben uns das Ziel gesetzt 2030 klimaneutral zu sein und deswegen wollen wir es uns nicht leisten, Ressourcen zu verschwenden. Für mehr Nachhaltigkeit entwickeln wir Lösungen in und für unsere eigenen Fabriken. Unsere Werke sind dadurch immer auch Ideenschmieden für die ganze Industrie. So können wir Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sein und Bewährtes geben wir an unsere Kunden weiter. 


Siemens ist Gründungsmitglied der Initiative „Innovationskunst“ der Metropolregion Nürnberg. Was bedeutet die Initiative für Sie und worin sehen Sie den Mehrwert für Siemens?

Innovationkunst ist ein Ausdruck unseres Ökosystems aus Universitäten, Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen und natürlich Firmen wie uns. Vielen ist nicht bewusst, dass wir hier 21 Hochschulen haben und auch, was Patentanmeldung angeht, zu den führenden Regionen Europas zählen. Ich schätze die enge Zusammenarbeit mit anderen technologiebegeisterten Menschen und die Impulse für kreative Ideen und innovative Technik. Die Initiative trägt das nach außen und trägt dazu bei mehr Experten und Fachkräfte in die Metropolregion zu ziehen. 


Wie nehmen Sie die Innovationskultur in der Metropolregion Nürnberg wahr? Gibt es noch Optimierungspotenzial?

Wir brauchen eine Innovationskultur auf vielen Ebenen. An einigen Stellen sind wir schon auf einem guten Weg, bei den Kollaborationen mit Universitäten zum Beispiel. An unserem digitalen Vorzeigestandort Amberg können Studierende der OTH Amberg/Weiden in einem Zukunftslabor neue Technologien und Lösungen ausprobieren. Aber es gibt durchaus noch mehr Potenzial, um Talente und Arbeitskräfte in die Region zu ziehen. Innerhalb der Initiative Innovationskunst müssen wir noch internationaler werden, um auch Experten im Ausland anzusprechen. 


Stichwort Fachkräftemangel: Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Was kann eine Initiative bzw. was können Unternehmen tun? 

Mit dem Thema Fachkräftemangel werden sich in Zukunft viele Unternehmen konfrontiert sehen, denn die Altersstruktur in unserer Gesellschaft verändert sich. Unternehmen sollten jetzt in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren – was wir schon länger tun. Initiativen wie Innovationskunst bilden ein Netzwerk von Unternehmen und Bildungseinrichtungen, zeigen auf, welche attraktiven Studiengänge an den Unis angeboten werden. Wir müssen aber definitv noch mehr die Werbetrommel für die Metropolregion rühren. 


Wenn Sie ein Bild der Metropolregion Nürnberg im Jahre 2050 entwerfen sollten – was sehen Sie? 

In meiner Vision ist die Region eine Ideenschmiede für nachhaltige Lösungen. Sie setzt wichtige Impulse für eine nachhaltige Mobilität, Medizintechnik, Landwirtschaft und Produktion. Ich wünsche mir, dass die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung noch enger wird und auch das Umfeld eine attraktive Work-Life Balance bietet. 


Was ist Ihnen wichtig?

Mir macht es Spaß jeden Tag etwas Neues zu Lernen und Ideen auszutesten. Dabei ist es nicht so wichtig, ob eine Idee beim ersten Ansatz gleich Erfolg hat. Wichtig ist es neugierig zu bleiben, weiterzumachen und aus Misserfolgen zu lernen.

 

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