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Stories Innovationskunst

#KI in der Praxis - ein Planungstool berechnet faire Dienstpläne

Künstliche Intelligenz als Planungstool schafft in der Metropolregion Nürnberg neue Möglichkeiten für Unternehmen, effizientere Lieferketten zu gestalten, aber auch den Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fairer umzusetzen.

Im Zuge der Globalisierung und nicht zuletzt durch höhere Preise für Energie- und Kraftstoffe steht die Logistikbranche vor stetig wachsenden Herausforderungen. Das Problem der effizienten Planung von Fahrtstrecken  als kombinatorisches Optimierungsproblem wird bereits seit über 200 Jahren unter dem Titel „Travelling Salesman Problem“ thematisiert. Dem liegt die Herausforderung zu Grunde, die effizienteste Route für eine Rundreise mit einer beliebigen Anzahl an Zwischenaufenthalten festzulegen. In der heutigen Praxis ist jedoch allein die Fragestellung der bestmöglichen Reihenfolge noch viel komplexer geworden. Bei Waren spielen Faktoren wie Verderblichkeit eine große Rolle, bei der Planung von Personal deren jeweilige Qualifizierung und auch individuelle Verfügbarkeit im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Der menschliche Verstand alleine stößt hier zunehmend an seine Grenzen.

Nachhaltige Verbesserung von Geschäftsprozessen mit KI – wie genau funktioniert das?

Abhilfe schaffen kann hierbei der Einsatz künstlicher Intelligenz (kurz: KI). Am ADA Lovelace Center for Analytics, Data and Applications, einem Kompetenzzentrum der Fraunhofer-Institute IIS, IISB und IKS, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Ludwig-Maximilians-Universität München widmet sich der Mathematiker Dr. Andreas Bärmann unter anderem der Bewältigung von Planungsaufgaben in der industriellen Praxis mittels mathematischer Optimierung, einer Grundtechnik der KI.

„In der Regel kommt ein Unternehmen mit einer interessanten Fragestellung direkt auf uns zu. Die Fragestellung ist häufig im logistischen Bereich angesiedelt, da gerade Lieferketten sehr komplex und planungsintensiv sind.“ – erklärt er. Aller Anfang der Lösung ist sodann zunächst ein mathematisches Modell, welches das Problem inklusive seiner variablen Planungsgrößen wiedergibt. Dieses Modell wird mit „menschlicher Intelligenz“ erstellt, in unserem Fall von Mathematiker Bärmann und seinem institutsübergreifenden Team bestehend aus Doktoranden an der FAU und dem Fraunhofer IIS. „In mehreren Projektschritten gelangen wir mit unserer Methode von einem ersten theoretischen Grundgerüst über mehrere Testphasen zu einer einsatzfähigen KI.“ 

Essentiell in diesem Modell sind die Variablen. Sie spiegeln aus dem realen Sachverhalt die Freiheitsgrade wieder, die der Planende in einem Unternehmen zur Lösung seiner Aufgabe hat. So ist beim Erstellen eines Dienstplans z.B. die Frage, welche Mitarbeiterin und welcher Mitarbeiter welche Aufgaben erledigen soll. Dazu wählt man in der Planung ein Zielkriterium für die Optimierung, bspw. einen Dienstplan, der die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den jeweils zu erledigenden Aufgaben maximiert. Schließlich kommen die sogenannten Nebenbedingungen oder Randbedingungen ins Modell hinzu, die bspw. vorsehen, dass nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten gewisse Aufgaben zugeordnet bekommen sollen. Sie nehmen im Modell die Form von linearen Gleichungen und Ungleichungen an. Werden diese Randbedingungen nicht ausreichend bestimmt, kennt die KI sie nicht, kann sie demnach nicht berücksichtigen und kann keine sinnvolle Lösung bestimmen. Daher werden die Randbedingungen der Planungsaufgabe im Vorfeld mit dem Kunden in intensiven Projektinterviews bestimmt. Oft ergeben sich jedoch in den folgenden Projektschritten noch zusätzliche Bedingungen, die im Vorfeld nicht bedacht werden konnten, wie zum Beispiel Platzlimitierungen, begrenzter Mehrprozessbetrieb oder Kapazitäten von Maschinen in der Produktion. Diese werden nacheinander in das Modell mit aufgenommen, bis es das reale System hinreichend genau wiedergibt.

Sind nach mehreren Projektschritten alle Randbedingungen im Modell erfasst, ist die KI in der Lage, sämtliche verschiedenen Möglichkeiten zu durchsuchen um einen effizienten Plan zu erhalten. Die Kunst besteht anschließend schlussendlich dann darin, die besten Kombinationsmöglichkeiten herauszufiltern. Die KI kann das auf Knopfdruck, und damit in einem Bruchteil der Zeit, die ein Mensch dafür benötigen würde.  

Visuell lassen sich diese berechneten Möglichkeiten dann als im Raster angeordnete Punkte darstellen. Die gemäß dem gewählten Optimierungskriterium besten Lösungen liegen dort in direkter Nachbarschaft zueinander. Die KI kann so also auch herausfinden an welcher Stelle sie nach der optimalen Lösung suchen soll, wenn im Nachhinein kleinere Änderungen vorgenommen werden.

Mit künstlicher Intelligenz zu mehr Fairness und einer besseren Work-Life-Balance

Neben den ganz klassischen Optimierungspotenzialen „Senkung von Kosten und Energieverbrauch“ in der klassischen Streckenplanung gibt es auch Bereiche für die sich ein Verbesserungspotential durch KI zunächst nicht vermuten lässt. Konträr zu KI-Schreckensszenarien aus Literatur und Film, kann KI auch für eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder eine bessere Work-Life Balance genutzt werden.

„KI löst Probleme auf rein rechnerische Weise, ermöglicht es damit aber auch fairer auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Hierbei wird der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zunächst als Ressource betrachtet, durch die Hinzunahme von entsprechenden Randbedingungen kann aber gezielter mit Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen und deren Wünschen, Lebensverhältnissen oder Qualifikationen umgegangen werden.“, so Bärmann.

Umgesetzt wurde dies in einem Projekt zur Dienstplanoptimierung der Deutschen Bahn. Zu den relevanten Randbedingen gehörten hier auch Aspekte des Themas „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Definiert wurden als Randbedingungen u.a., die Möglichkeit von Nachtschichtarbeit, zusätzlich zu den unterschiedlichen Qualifikationen der Lokführerinnen und Lokführer. Das mag in dieser Form noch simpel klingen, wird aber durch die hohe Anzahl der zu betrachtenden Ressourcen aka Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren unterschiedliche Qualifikation und demnach der spezifischen Verteilung auf geeignete Zug-Typen, sehr schnell sehr komplex.

„Die bisherigen Dienstpläne unseres Kunden sollten mitarbeiterfreundlicher werden und waren generell noch zu wenig stressresistent. Die Verwendung unserer KI hat hier einen robusten Dienstplan geliefert, welcher zum Beispiel auch eine solide Vertretungsstrategie beispielsweise im Krankheitsfall bereits mit einplant. Der besondere Fokus lag dabei aber auch auf der Verträglichkeit der Dienstpläne mit den Lebensumständen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“

Kriterien, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen, oder auch deren Präferenzen, wie die Vermeidung von Nachtschichten bekommt die KI händisch zur Verfügung gestellt. Die Furcht davor, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dadurch gläsern werden, ist dabei aber unbegründet. Zusätzlich zu den Informationen, welche in den jeweiligen Tarifverträgen definiert sind, muss die KI nicht mehr über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, als dem Arbeitgeber ohnehin mitgeteilt wird. Das sind Informationen wie beispielsweise Wohnort, präferierte Arbeitszeiten oder Urlaubszeiten.

An diesen und vielen weiteren innovativen KI-Themen arbeitet das ADA Lovelace Center zusammen mit dem Lehrstuhl für Analytics & Mixed-Integer Optimization, an dem auch Bärmann die Grundlagen der mathematischen Optimierung erforscht und unterrichtet. Auf neue Anfragen zum Wissenstransfer oder zu gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit großen und kleinen Unternehmen ist sein Team stets gespannt und geht dabei zielgenau auf die Bedürfnisse jedes Partners ein.

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