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Innovationskunst

30 Jahre .mp3

Die Technologie hinter diesen drei Zeichen ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken: Am 14. Juli 2025 feiert die Dateiendung ».mp3« ihr 30-jähriges Bestehen. Das Audioformat legte den Grundstein für viele weitere Entwicklungen rund um Audiocodecs made in Erlangen. Die Geschichte über eine Innovation, die bis heute am Fraunhofer IIS und weltweit nachwirkt.

Zu Beginn gab es eine Idee: Prof. Dieter Seitzer, später der erste Institutsleiter des Fraunhofer IIS, wollte Musik über Telefonleitungen übertragen.

»Mitte der neunziger Jahre hatten wir dann das Ziel, mp3 auch auf kleinen, handlichen Geräten abspielbar zu machen«, erinnert sich Bernhard Grill, der neben Karlheinz Brandenburg, Harald Popp, Jürgen Herre und einigen mehr zum Kernteam der mp3-Entwicklung zählt. Was heutzutage völlig selbstverständlich ist, hielt man damals für unrealistisch. Dennoch machte sich das Team an die Arbeit, mit Erfolg. Für die Nutzer des aufkommenden Internets lagen die Vorteile von mp3 auf der Hand und schnell verbreiteten sich erste Musikstücke in diesem Format. Das Team am Fraunhofer IIS fand eine deutsche Firma, die mit ihnen den ersten mp3-Decoder-Chip entwickelte und konnte damit in Erlangen in der Metropolregion Nürnberg den ersten mp3-Player ohne bewegliche Teile bauen. Damit hatte man nun alle Puzzlestücke für einen Welterfolg beisammen und die Vision der Musiksammlung in der Hosentasche konnte Realität werden.  

Mit einem Trick zu weniger Speicherplatz

Das mp3-Verfahren nutzt die Eigenschaften der menschlichen Wahrnehmung geschickt aus. So gibt es in Audiosignalen immer für Menschen nicht-hörbare Signalanteile. Diese irrelevanten Anteile werden ungenauer, also mit weniger Bits, abgespeichert. Im Ergebnis werden die Dateien bis zu 10-mal kleiner und das alles fast ohne hörbaren Unterschied zum uncodierten Original. Diese bahnbrechende Kombination machte den weltweiten Siegeszug von mp3 möglich.

Standardisiert wurde das Verfahren in den 90er-Jahren im Gremium ISO-MPEG. Der erste Standard MPEG-1 enthielt drei Verfahren zur Audiocodierung: Layer 1, 2 und 3. Der Name mp3 ist eine Abkürzung von »MPEG-1 Audio Layer-3« und wurde am 14. Juli 1995 durch eine interne Umfrage per E-Mail am Fraunhofer IIS festgelegt.

Ein Treiber des Wachstums für das Fraunhofer IIS

Für das Fraunhofer IIS war die Entwicklung des Codecs ein absoluter Glücksfall: Die Technologie avancierte zu einem weltweiten Erfolg. Auch für die gesamte Fraunhofer-Gesellschaft hat sich die Entwicklung wirtschaftlich gelohnt: Die Vermarktung generierte über die gesamte Patentlaufzeit Einnahmen im hohen dreistelligen Millionenbereich. Das Fraunhofer IIS konnte damit ein immer größeres Team in Erlangen finanzieren und ist heute das größte Institut in der Fraunhofer-Gesellschaft. Da ist es nicht verwunderlich, dass mit der Entwicklung von mp3 längst nicht Schluss war mit der Arbeit an Audiocodecs.

Seine Audiotechnologien machen das Institut auch heute noch weltweit bekannt. Mit über 400 Mitarbeitenden im Bereich der Audio- und Medientechnologien ist es das international größte und erfolgreichste Entwicklungszentrum für Audiotechnologien.

mp3 als Grundstein für die Gegenwart

Die Entwicklung von mp3 legte den Grundstein für vier Generationen von Audiocodecs, die inzwischen nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind. Apples iPod und der iTunes Music Store verhalfen dem mp3-Nachfolger MPEG Advanced Audio Coding (AAC) zum Durchbruch. In den folgenden Generationen reduzierten weitere technische Verfeinerungen die Bitraten immer mehr. Egal ob beim Streaming, im Digitalradio, im digitalen Fernsehen oder bei Videotelefonaten wie Apples Facetime – überall wird eine Form des AAC-Codecs eingesetzt. »Wir arbeiten unablässig daran, die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben, so konnten wir das Auslaufen der mp3-Patente bestens kompensieren und das Team stetig vergrößern. Die nachfolgenden Codec-Generationen wurden ein mindestens ebenso großer wirtschaftlicher Erfolg wie mp3«, so Bernhard Grill, der heute nicht nur Leiter des Bereichs Audio- und Medientechnologien, sondern auch einer der Institutsleiter des Fraunhofer IIS ist. Die heutigen Erfolgsgeschichten sind das MPEG-H Audio System, mit dem nicht nur einhüllender 3D-Klang in heimische Wohnzimmer gebracht wird, sondern auch ganz neue Interaktivitätsfunktionen. Nutzerinnen und Nutzer können zwischen verschiedenen Audiomixes wählen – zum Beispiel könnten bei einem Fußballspiel zwei verschiedene Kommentatoren angeboten werden, oder man entscheidet sich, ganz auf den Kommentar zu verzichten. Der heute in allen Mobiltelefonaten im 4G- und 5G-Netz verwendete Sprachcodec EVS wurde ebenfalls maßgeblich am Fraunhofer IIS mitentwickelt. Er ermöglicht Telefonate in Full-HD-Voice-Qualität – ganz so, als wäre man mit dem Gesprächspartner im gleichen Raum. Der Low Complexity Communication Codec (LC3) ist zum Standard in Bluetooth geworden und bringt hervorragende Audioqualität extrem energiesparend auf Bluetooth-Headsets.

»Wir arbeiten unablässig daran, die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Die nachfolgenden Codec-Generationen wurden ein mindestens ebenso großer wirtschaftlicher Erfolg wie mp3.«

Milliarden Stunden an gestreamten Inhalten

Im Alltag machen sich nur die wenigsten Menschen Gedanken über Audiocodierung. Tatsächlich aber tritt jeder von uns mehrfach täglich in Kontakt mit den wegweisenden Technologien. Allein mit dem Ur-Ur-Enkel des mp3-Formats, dem Audiocodec xHE-AAC, streamen drei Milliarden Menschen jeden Monat zwei Milliarden Stunden an Inhalten. Diese neueste Generation des AAC-Formats ist der ideale Codec für das Streamen von Filmen, Musik, Podcasts und Co. Es ist Bestandteil aller weit verbreiteten Betriebssysteme und kommt bei Plattformen wie Netflix, Instagram oder Audible zum Einsatz. xHE-AAC zeichnet sich dabei nicht nur durch besonders effiziente Codierung aus, sondern umfasst auch Technologien, die für eine gleichbleibende Lautstärke und gut verständliche Inhalte auch in lauten Umgebungen sorgen.

KI birgt neue Potenziale

Das Fraunhofer IIS wird weiterhin an der Spitze der Audioentwicklung stehen. Die fünfte Codec-Generation erreicht dank intelligentem Einsatz KI-basierter Methoden bisher ungeahnt niedrige Bitraten von unter 3 kbit/s für Sprachsignale. Dieser neue Codec kann zum Beispiel für Handy-Satellitenkommunikation eingesetzt werden. Ein weiteres KI-basiertes Projekt ist die Geräuschunterdrückung im upHear Microphone Processing, die für ein klares Hörvergnügen z.B. über das Smartphone sorgt und durch den geringen Rechenaufwand den Akku schont. Gleichwohl haben die Forschenden nicht nur die Arbeit mit Audiosignalen im Blick: Ein ganz neues Betätigungsfeld erschließt sich mit der Arbeit an generativen Modellen bzw. großen Sprachmodellen. Ein erstes Ergebnis war »Teuken-7B«, ein effizient trainiertes europäisches Sprachmodell, das nicht nur in den 24 Amtssprachen der Europäischen Union trainiert wurde, sondern auch die hiesigen Datenschutzstandards erfüllt. Künftig sollen Teuken-7B und andere Sprachmodelle für die Verwendung in Verwaltung, Justiz und Industrie angepasst werden. Dazu wird gerade gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg KI-Rechnerkapazität aufgebaut. Denn wie schon zu Beginn der mp3-Entwicklung ist ein begrenzender Faktor die fehlende Rechenleistung. Aber dafür hat das Fraunhofer-Team noch immer zahlreiche geniale Ideen – wie damals in der frühen Phase der mp3-Entwicklung.

30 Jahre .mp3 – Nichts ist zu schwer

Bei der Entwicklung von zukunftsweisenden Audio-Technologien stellen die wiederzugebenden Inhalte die Teams des Fraunhofer IIS immer wieder vor große Herausforderungen.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Herre, heute Professor an den AudioLabs in Erlangen, berichtete im Jahr 2006 davon, wie sich das Team bei der Entwicklung von mp3 die Zähne an Suzanne Vega’s Song »Tom’s Diner« ausbiss.

Dr.-Ing. Richard Füg, Leiter der Gruppe Audio and Speech Coding am FraunhoferIIS steht mit seinem Team auch heute noch vor Herausforderungen bei der Codec-Entwicklung. Wie sorgt man z.B. bei der Medien-Wiedergabe auf mobilen Geräten für besten Klang auch in lauten Umgebungen? Unser Codec der 4. Generation, xHE-AAC, kann das standardmäßig.

30 Jahre .mp3 – Die Hörtestumgebung

Ohne Hörtests keine revolutionären Audiotechnologien. Zum Glück haben sich die Möglichkeiten am Fraunhofer IIS von der Entwicklung der mp3 bis heute enorm verbessert.  

Prof. Dr.-Ing. Karlheinz Brandenburg, in 2006 Leiter des Fraunhofer IDMT, erinnerte sich daran, wie die zahlreichen Hörtests während der mp3-Entwicklung die Nerven seines Chefs, Prof. Seitzer, strapazierten. Daniela Rieger, stellvertretende Leiterin der Gruppe Soundlab am Fraunhofer IIS, zeigt mit dem Schalllabor »Mozart« eines der modernsten Schalllabore auf der ganzen Welt.Hier werden fortschrittliche Technologien entwickelt und getestet, wie das immersive und interaktive Format MPEG-H Audio oder IVAS – ein Codec, der Telefongespräche in 5G-Mobilfunknetzen zum räumlichen Erlebnis macht. 

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30 Jahre .mp3 – Erfolge feiern

Am Fraunhofer IIS werden Erfolge gefeiert – und davon gab es in den letzten 30 Jahren eine Menge.

Harald Popp, bis 2018 Abteilungsleiter im Bereich Audio und Medientechnologie und Guillaume Fuchs, heute Chief Scientist in der Abteilung Speech and Audio Research beschreiben einen Brauch, der am Fraunhofer IIS von der Entwicklung der mp3 bis heute Bestand hat. Im Projekt NESC, das u.a. von Guillaume geleitet wird, arbeitet das Team an einem Audiocodec der 5. Generation, der dank KI-Verfahren extrem geringe Bitraten erreicht. Damit ist er ideal für die Mobilkommunikation in nicht-terrestrischen Netzwerken (sog. NTNs). Skyle, ein Anbieter solcher Dienste testet nun unseren Codec in ersten Anwendungen. Ein Grund zum Feiern!

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© Fraunhofer IIS / Kurt Fuchs | Erster Prototyp eines MP3-Spielers ohne bewegliche Teile

© Fraunhofer IIS | Mit dieser E-Mail wurde 1995 der Name der mp3 besiegelt.

© Fraunhofer IIS / Paul Pulkert Modell der neuesten Generation von Hochleistungsrechnern, wie sie ab 2025 am Zentrum für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR@FAU) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) für die KI-Forschung von Fraunhofer IIS und FAU bereitgestellt werden. V.l.: Dr. Renke Deckarm (Europäische Kommission – Vertretung in München), Prof. Dr. Joachim Hornegger (FAU), Staatsminister Hubert Aiwanger, Prof. Dr.-Ing. Bernhard Grill, Dr. Frederik Nagel (beide Fraunhofer IIS)

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